Saskias Gespenster

Verlust, Leben und Tod liegen nahe beieinander!

Nicht nur mit Sterben und dem Umgang mit dem Tod setze ich mich in der Reihe „Leben, Sterben und Tod“ auseinander, sondern auch mit den oftmals schwierigen Fragen nach dem Weiterleben. Wie lebe ich mit dem Verlust als Zurückgebliebene? Wie schaffe ich es, wieder ein positives Leben zuführen? Weiterleben eben!

Im März stellte Monika Fuchs mir gleich zwei Neuausgaben aus ihrem Verlag vor. „Lautlose Stufen“ von Inge Becher habe ich bereits vorgestellt. Heute sind „Saskias Gespenster“ von Corinna Antelmann die Hauptdarsteller.

Über die Sehnsucht der Gespenster zur Erfüllung der Lebenden!

Wenn ein Kind seine Eltern verliert, schwankt es zwischen Leben und Todsein. Wo gehört es hin? Die Liebe der Eltern noch einmal spüren, ist der größte Wunsch, obwohl dies nicht mehr möglich ist. Weiterleben in einer Welt, die einem alles genommen hat, wie soll das gehen? Auf diese Fragen gibt Corinna Antelmann in „Saskias Gespenster“ einfühlsame Antworten.

alte Gräber

alte Gräber

Saskia ist Waise geworden. Sie muss ins Kinderheim und bleibt mit ihren Gefühlen und Ängsten allein. Der Gruppenleiter versucht alles mögliche, doch nur der Heimjunge Oskar kann sie erreichen.

Auf dem nahem Friedhof begegnet Saskia Gespenstern. Menschen, die das Leben noch nicht loslassen können, obwohl sie gestorben sind. Sie wollen Saskia helfen und benötigen gleichzeitig ihre Hilfe.

Genau wie die Gespenster hat auch Oskar ein Geheimnis, das er nicht mit Saskia teilen mag.

Kapitel für Kapitel werden wir durch Saskias Gefühlswelt geführt. Erfahren, wie ein junges Mädchen mit dem Verlust der Eltern, einer neuen Umgebung und mit den eigenen Schuldgefühlen fertig wird.

Das Buch ist so geschrieben, dass sich die vorgegebene Altersgruppe gut einlesen kann. Die Autorin übertreibt nicht in Sprache und Bildern, und doch ist die Geschichte spannend erzählt. Sie hat stille, traurige und mutmachende Momente. So können 12jährige das Buch alleine lesen bzw. als Buchprojekt in der Schule bearbeiten.

Sehr schön finde ich auch die Erklärung eines der Gespenster, warum sie sich noch ans Leben klammern. Dies erleichtert Saskia, und bestimmt auch den jungen LeserInnen, das Verstehen wie Leben funktionieren kann.

Interview mit Corinna Antelmann

Und da ich immer auch mehr über die Autorin und ihre Beweggründe gerade so ein Buch zu schreiben wissen möchte, gibt es hier nun ein Interview mit Corinna Antelmann.

Corinna Antelmann, Foto: Reinhard Ehgartner

Corinna Antelmann,
Foto: Reinhard Ehgartner

Saskia verliert mit 12 Jahren ihre Eltern. Was hat Sie veranlasst über dieses Thema ein Jugendbuch zu schreiben?

Für mich liegt die Kraft aller Geschichten darin, dass sie ein äußeres Bild von inneren Prozessen abbilden. Über eine Waise zu erzählen, birgt ganz allgemein gesprochen die Möglichkeit, einen Reifeprozess zu erzählen, also von einem Kind, das einen nächsten Schritt in Richtung Erwachsenwerden wagen, weil es unabhängig von den Eltern in der Welt bestehen muss. Saskia ist nicht länger behütet und gelangt so zu der wichtigen Erkenntnis: Sie werden nicht immer für mich sorgen. Als Autorin gibt mir das tragische Ereignis am Anfang des Textes die Möglichkeit, diesem gewöhnlich unsichtbar emotionalen Prozess eine bildhafte Verdichtung zu geben, so wie es in vielen Märchen und Geschichten der Fall ist.
Dass ich dann aber speziell diese Geschichte erzähle, die den Tod darüber hinaus noch explizit zum Thema macht, gründet auf der Erfahrung, wie sehr das Thema TOD Kinder und Jugendliche beschäftigt, es zugleich jedoch in unserem Kulturkreis noch immer tabuisiert wird. Es fehlt die Selbstverständlichkeit, über Tod und Verlust zu sprechen und auch die Selbstverständlichkeit, mit den (ganz konkret) Toten zu kommunizieren, wie es in anderen Kulturen als völlig normal gilt. In Mexiko habe ich erlebt, mit wieviel Leichtigkeit den Toten begegnet wird und verstorbene Geister in den Alltag integriert werden, sodass es einen Weg gibt, mit Verstorbenen eine Zeitlang in Kontakt bleiben zu können, bevor es gelingt, sie loszulassen. Ich wollte eine Geschichte, die anregt, über den Tod zu sprechen und über die Trauer, die zum Tod (wie zum Leben) dazugehört und Raum bekommen sollte.

Sie beschreiben die Gefühle des jungen Mädchens sehr real und nachvollziehbar. Gefühle wie Wut, Angst, Trauer und Zorn, sind genauso wie Schuldgefühle sehr präsent. Auf welche Erfahrungen greifen Sie zurück?

Es freut mich, dass Sie die Beschreibungen als nachvollziehbar empfinden. Ich habe mich beim Schreiben darauf verlassen müssen, dass die Gefühle, die ein solcher Verlust auslöst, für mich emotional präsent sein können, wenn ich die allgemeine Erfahrung VERLUST nehme und steigere. Natürlich habe ich mich parallel auch in Fachliteratur eingelesen und das Gespräch mit einer Kinderpsychologin gesucht, also Recherchearbeit betrieben. Dennoch: Ich teile Saskias Erfahrung nicht und musste das Risiko auf mich nehmen, anmaßend zu sein. Empathie ist aber meiner Meinung nach deshalb möglich, weil sich die Grundgefühle der Menschen als Menschen ohnehin ähneln.

Das Buch könnte ich mir sogar als kleine Serie im Fernsehen vorstellen. Ich glaube darüber auch etwas gelesen zu haben, oder?

Saskias Gespenster von Corínna Antelmann, Cover-Ausschnitt

Saskias Gespenster von Corinna Antelmann, Cover-Ausschnitt

Das stimmt. Die Grundidee zu Saskias Gespenster war es, eine Fernseh-Serie anzuregen, die auf dem Friedhof spielt, wo Gespenster leben, die alle noch etwas erledigen müssen, um vom Leben endgültig Abschied nehmen zu können. Als ein Mädchen aus den ihr eigenen Motiven diesen Friedhof aufsucht, finden sie in ihm eine (unfreiwillige) Helferin, die sie auf ihren Abenteuern begleitet. In Raimund Massen fand ich dann einen Co-Autoren, mit dem ich gemeinsam die einzelnen Geschichten ausgebaut habe und das Konzept entwickelte. Es fand sich keine Produktionsfirma, da vielen das Thema Tod und die Verbindung von humorvollen Abenteuern mit gleichzeitiger Trauer nicht geheuer war (Stichwort: Tabu). Also entschieden wir, aus der Serie einen Spielfilm zu machen, bei dem Saskias Geschichte und Entwicklung viel mehr an Gewicht gewonnen hat, während die Gespenstergeschichten in den Hintergrund getreten sind (und auch dezimiert wurden – wir hatten acht ausgearbeitete Gespenster-Geschichten). Anhand dieser Film-Vorlage habe ich jetzt das Buch geschrieben, das es mir ermöglichte, noch tiefer in Saskias Gefühlswelt vorzudringen.

Saskia bekommt Oskar an ihre Seite, der sie jedoch nur ein kleines Stück begleitet. Dies erinnert mich an „Die Brücke von Terabithia“ und „My Girl“. Doch diesmal wird über die Gefühlswelt des Mädchens erzählt. Was war Ihnen besonders wichtig in Bezug auf das Mädchen zu vermitteln?

Beide Bücher kenne ich leider nicht. Ich wollte erzählen, dass all ihre Gefühle in Ordnung sind, und Saskia sich Raum und Zeit nehmen darf, die einzelnen Phasen der Trauer zu durchleben, um zu einem gewissen Grade damit abschließen zu können. Dass das Leben weitergeht, also Trauer etwas ist, dass ÜBERlebt werden kann. Dem Leben zuliebe. Gerade für Jugendliche stellen sich die ersten Verluste, die sie erleben müssen (auch wenn sie weitaus weniger tragisch anmuten als der Verlust der eigenen Eltern, wie zum Beispiel die Trennung nach der ersten Liebe), als unüberwindbar dar, das Leben scheint an einen Endpunkt gelangt.

Ist das Buch jetzt ein Mädchen-Buch, oder eignet es sich auch für Jungs? Gehen Jungs ähnlich wie Mädchen mit dem Verlust der Eltern um?

Mein Wunsch wäre es, dass das Buch für beide Geschlechter funktioniert, und das kann ich mir auch vorstellen, obgleich Jungen erwiesenermaßen eine geringere Bereitschaft haben, sich mit Mädchen zu identifizieren als umgekehrt. Ich glaube nicht, dass es geschlechterspezifische Verhaltensweisen in der Trauer gibt. Wie die Gefühle zum Ausdruck kommen, mag sich dagegen unterscheiden, aber da vermute ich bloß. Auf die Idee, sich vom Leben zurückziehen zu wollen, wie Saskia es tut, und Trost bei den Toten zu suchen, könnte meiner Meinung nach sowohl ein Junge als auch ein Mädchen kommen.

Haben Sie das Skript zuerst geschrieben und sich dann einen Verlag gesucht? War es leicht einen Verlag zu finden?

Das Manuskript war fertig, als ich mit der Verlagssuche begann, und ja, es war schwer. Ebenso wie bei dem Versuch, die Serie unterzubringen, hatten auch einige Verlage den Vorbehalt, dass es zu wenig unterhaltsam, zu SCHWER und damit nicht jugendtauglich sei. Mit Monika Fuchs habe ich dann eine Verlegerin gefunden, die keine Angst hat, sich vermeintlich schwierigen Themen anzunehmen, im Gegenteil.

Saskias Gespenster rufen danach auch als Hörbuch herausgebracht zu werden. Welche Sprecher könnten Sie sich dafür vorstellen? (Meine Kinder sind ja absolute Hörbuchfans von Rufus Beck. Sein reiches Repertoire an Stimmen würde die Geschichte förmlich zum Leben erwecken.)

Ja, bitte. Fragen Sie Rufus Beck! Ich fände es toll, Saskias Gespenster zum Hörbuch umzuschreiben. Dann würde mich allerdings freuen, wenn mein Mann, der Schauspieler Thomas Bammer, den Doktor Schäfer sprechen würde … Ich selbst liebe die Sprecherin Ulrike C. Tscharre.

Vielen Dank, Frau Antelmann, dass wir etwas mehr über die vielen Details erfahren durften, wie dieses Buch entstanden ist.

~~~~~~~~~

Fazit: Gut dargestellte Gefühlswelt einer 12 Jährigen! Nicht nur als Trauerbuch sondern als spannendes Abenteuerbuch und als Schullektüre geeignet.

Ich bin fest davon überzeugt, dass das Buch auch als Hörbuch, als Fernseh-Serie und Kino-Film Kinder und Erwachsene begeistern wird!

Saskias Gespenster 001

Saskias Gespenster von Corinna Antelmann, Foto: Verlag Monika Fuchs

Saskias Gespenster
Corinna Antelmann
Verlag Monika Fuchs
ISBN 978-3-940078-94-0
erschienen 2016
304 Seiten

Ich danke Monika Fuchs vom „Die Bücherfüxin“-Verlag für das Angebot, dieses Buch zu lesen. Es hat sich gelohnt!

Noch eine kleine Bitte: Bestellen Sie das Buch direkt beim Verlag Monika Fuchs, so unterstützen Sie, dass weitere Projekte umgesetzt werden können. Die großen Internet-Bestell-Shops sind für uns als Nutzer sehr bequem, doch bleiben dem Autor/Verlag nur Cent-Beträge als Verdienst.

Haben Sie auch einen Buch-Tipp für mich? Teilen Sie mir diesen und gerne auch Ihre Meinung zum Beitrag mit. Ich freue mich auf Ihren Kommentar.

Ihre
Margarete Rosen

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3 Kommentare

  1. Das Buch wäre genau das Richtige für meine kleine Nichte. Ich habe auch den Beitrag der Verlegerin gelesen. Sehr interessant wie die Dinge zusammenhängen.
    Rita

    • Ja, ich dachte auch so, dass ich das Buch gerne als Kind gelesen hätte. Dann wünsche ich Dir und Deiner Nichte spannende Stunden.

  2. Pingback:Interview mit Corinna Antelmann zu Saskias Gespenster – Verlag Monika Fuchs

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