Wenn ich keine Haare habe, trage ich eine Mütze!

Als ich die Vorankündigungen zu diesem Buch las und die Zeichnungen sah, wußte ich, dass ich dieses Buch lesen mußte. Gerne stelle ich es als aktuellen Beitrag in meiner Reihe „Leben, Sterben und Tod“ vor. Caroline Walker-Miano kenne ich schon einige Jahre. Ihr Buch „Franz-Josef und Adelgunde“ habe ich ebenfalls in dieser Reihe vorgestellt.

Nicht nur alte Männer haben keine Haare!

Lange Zeit dachte Giancarlo: nur alte Männer haben keine Haare. Doch dann erkrankte er an Krebs. Seinen Weg in dieKrankheit und aus ihr heraus hat er mit vielen Zeichnungen dokumentiert. Sie halfen ihm seine Krebserkrankung, dem Verlust der Haare und die Schmerzen in der Therapie zu verarbeiten.

Giancarlo Miano ist der Neffe von Caroline Walker-Miano. Zusammen haben sie „Wenn ich keine Haare habe, trage ich eine Mütze“ als Mutmacher für Teenager, die an Krebs erkranken, geschrieben. Denn Teenager gehen anders als kleine Kinder mit der Diagnose Krebs um.

Comicartige Zeichnungen, in denen Giancarlo seine Stimmungen eingefangen hat, werden durch kurze Texte, knapp und präzise, begleitet. Die Geschichte wird in der ICH-Form erzählt, dadurch berühren die Texte besonders. Das wunderbare Vorwort wurde von Giancarlos Mutter geschrieben.

Interview mit Caroline Walker-Miano

Caroline Walker-Miano Foto:

Caroline Walker-Miano

Sie hatten einen ganz speziellen Anlass ein Buch über einen an Krebs erkrankten Jugendlichen zu schreiben.
Dieses Buch entstand, als Giancarlo das Patenkind meines Mannes, mein Neffe mit 15 Jahren an einem Chondrosarkom erkrankte. Da es im Wallis keine Kinderonkologische Abteilung in den Spitälern gibt, wurde die Therapie von Giancarlo in Bern im Inselspital durchgeführt. Während der Zeiten der Hospitalisation, wollte er nicht alleine in Bern bleiben. Damit seine Mutter zwischendurch auch einmal zu Hause in Visp schlafen konnte und sich um den jüngeren Bruder und ihren Mann kümmern und sich ein wenig erholen konnte, bin ich manchmal nach Bern gereist und habe dort bei ihm im Spital geschlafen.

Wie haben sie die Aufenthalte im Spital empfunden?
Die kinderonkologische Abteilung im Inselspital Bern ist in meinen Augen, eine wunderbare Abteilung, mit Menschen welche sehr empathisch sind und wirklich gut auf die Bedürfnisse der Kinder und deren Angehörigen eingehen. So bieten sie unter anderem auch viel Kreativarbeit an. Giancarlo hat immer schon gerne gezeichnet, dies ist neben Geige spielen und Karate eines seiner wichtigsten Hobbys.

Was gab den Ausschlag ein Buch mit Bildern von Giancarlo zu gestalten?
Als es ihm wegen der Chemotherapie bedingten Symptomen wie Übelkeit, Sensitivitätsstörungen an den Fingern, Schwäche usw. nicht mehr möglich war, mit Ton und anderen Bastelmaterialen zu arbeiten, hat ihn dies schon sehr frustriert. Eines Nachts, als mal wieder an Schlaf nicht zu denken war, habe ich ihn gefragt, ob er nicht ein Buch schaffen möchte, um das Alles zu verarbeiten. Er war nicht gerade „blendender“ Laune und erklärte mir, dass er ja gar nicht gut schreiben könnte. Ich hab ihm dann angeboten, dass ich die Geschichte schreibe und er die Zeichnungen dazu machen könne. Darauf konnte er sich einlassen. Am Anfang stand einfach nur die Verarbeitung dieses schwierigen Lebensabschnittes.

Aus: Wenn ich keine Haare habe, trage ich eine Mütze von Caroline Walker Miano

Aus: Wenn ich keine Haare habe, trage ich eine Mütze von Caroline Walker Miano

Vom Gedanken bis zur Fertigstellung des Buches hat es ja einige Zeit gedauert.
Alles in Allem hat es fast 1 ½ Jahre gedauert, bis er die Illustrationen zum Text fertig hatte. Die Bilder sind wirklich sehr aussagekräftig. Giancarlo ist, auch wenn er es nicht zugeben würde, sehr stolz darauf. Als wir dann so das fertige Skript vor uns hatten, fragte er mich, ob man das nicht auch drucken lassen könnte, wie „Franz-Josef und Adelgunda“.

Das Buch letztendlich drucken zu lassen, bedurfte ja noch einiger Kraftansprengungen. Wie war es möglich?
Wir haben das Manuskript an den Verlag geschickt und nach dem ok, galt es Sponsoren zu suchen. Hier in der Schweiz gibt es eine Stiftung, welche kranken Kindern und deren Familien Wünsche erfüllt. Die Stiftung heisst „Stiftung Kinderhilfe Sternschnuppe“ und ist auf Giancarlo und seine Familie zu gekommen, um ihnen z. B. ein Wochenende im Disneyland Paris zu ermöglichen. Ich habe mit Frau Wohlgemuth von der Stiftung Kontakt aufgenommen, da Giancarlos Hrzenswunsch der Druck des Buches ist. Frau Wohlgemuth, war am Anfang etwas skeptisch. Giancarlo hat daraufhin einen Brief geschrieben und seinen Wunsch formuliert und danach hat sich diese wunderbare Stiftung bereit erklärt, das Buchprojekt finanziell zu unterstützen. Giancarlo hat auch in seinem Karateklub, in seiner Familie und bei diversen Kleinunternehmen in der Region um Unterstützung angefragt und auch grosszügig erhalten.
Da ich von meiner Arbeit her im Oberwalliser Netzwerk Palliative Care sehr verknüpft bin, habe ich noch bei der Walliser Krebsliga an die Türe geklopft und auch von dieser Seite, wurde das Projekt sehr grosszügig finanziell unterstützt.
Die Mutter von Giancarlo hat dann noch ein wunderbares Vorwort geschrieben und so kam der Stein ins Rollen und das Buch konnte realisiert werden.

Wenn ich keine Haare habe, trage ich ein Mütze von Caroline Walker-Miano

Wenn ich keine Haare habe, trage ich ein Mütze von Caroline Walker-Miano

In der Zeit der Therapie ging es Giancarlo an manchen Tagen so schlecht, dass er lieber sterben wollte. Er hat seiner Mutter auch das Versprechen abgerungen, dass er nie mehr eine Chemotherapie machen muss. Es gab Tage an welchen wir viel gelacht haben und rumgealbert haben. Seine Freunde, Familie und vor allem sein Bruder haben ihm in dieser Zeit sehr gut getan. Als er vor lauter Schwäche nicht mehr laufen konnte, sind wir mit dem Rollstuhl raus usw. Es gab Zeiten, an denen er nicht mal mehr seinen eigenen Speichel schlucken konnte vor lauter Schmerzen und dann gab es Zeiten, an denen er auch ein ganz normaler Teenager war und fröhlich sein konnte. Die Bestrahlung wurde in Heidelberg durchgeführt und dadurch waren er und seine Mutter „gezwungen“ 10 Wochen im Klinikum Heidelberg ein Zuhause zu finden und dort zu bleiben. Auf dem Areal des Klinikums besteht die Möglichkeit für betroffene Familien kleine Wohnungen zu mieten. Der Vater von Giancarlo und Alessandro sein Bruder, fuhren fast an jedem Wochenende nach Heidelberg. Wir haben viel über Skype mit ihnen gesprochen, was auch die Langezeit und das Heimweh ein wenig gelindert haben. Wir haben sie besucht dort und haben neben dem Klinikgelände z.B. einen Tierpark besucht, der wunderschön ist. Ausflüge nach Heidelberg hat Giancarlo mit dem Rollstuhl gemacht, und wenn er selber laufen mochte, hat sich sein Bruder oder eine meiner Töchter hinein gesetzt und unter viel Gelächter ging es dann durch die Fussgängerpassage Heidelbergs. An die Mütze und sein „anderes“ Aussehen hat er sich gut gewöhnt in dieser Zeit, er ist aber auch sehr froh, dass er jetzt wieder Haare hat und hat einen grossen Teil seiner Unbeschwertheit und seiner Lebendigkeit zurück gewonnen.

Heute geht es Giancarlo sehr gut. Er geht zur Schule und hat einen klaren Berufswunsch: er will Lehrer für Kunst werden an Höheren Fachschulen. Er hat also noch eine langen Weg vor sich, was die Ausbildung betrifft. Giancarlo hat auch psychologische Hilfe in Anspruch genommen und dies war oder ist immer noch eine sehr grosse Hilfe für ihn, wieder in den normalen Alltag zurück zu finden.
Für viele Aussenstehende ist es manchmal so, dass nach Therapieabschluss das Leben einfach wieder „normal“ weiter geht. Für Betroffenen ist dies so, dass die Verarbeitung ja erst nach Abschluss geschehen kann und manchmal noch viel später. Die Belastbarkeit ist anders und vieles hat sich im Inneren geändert.

Ich danke Frau Walker-Miano für das bereichernde Interview.

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Mein Fazit: Ein gutes Buch, um es mit Jugendlichen zu lesen. Die Texte sind kurz, die Bilder klar – eben Comic-Style. Das Buch ist zweigeteilt. Zuerst kommt die Geschichte mit kurzen Texten und Zeichnungen von Giancarlo, danach folgt ein Wissensteil, in dem viele Begriffe rund um eine Krebserkrankung klar und verständlich für junge Menschen erklärt werden.

Wenn ich keine Haare habe, trage ich eine Mütze
Die Geschichte eines an Krebs erkrankten Teenagers
Caroline Walker Miano
Novum-Verlag

Format: 18 x 27 cm
Seitenanzahl: 44
ISBN: 978-3-903067-11-0
Erscheinungsdatum: 30.06.2015
geeignet ab 11 Jahre

Haben Sie auch einen Buch-Tipp für mich? Teilen Sie mir diesen und gerne auch Ihre Meinung zum Beitrag mit. Ich freue mich auf Ihren Kommentar.

Ihre
Margarete Rosen

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2 Kommentare

  1. Liebe Margarete, danke für Deine wertvolle Arbeit und Deine liebenswürdige Art. Hospizarbeit ist sowohl eine grosse Bereicherung, als auch eine Lebensschule. Die Bücher, welche Du in Deinem Blog empfiehlst, sind alle lesenswert. Herzlichen Dank für Deinen Unterstützung. Herzlich Caroline und Giancarlo

    • Danke Caroline. Ich habe mich sehr gefreut mit Dir zusammenzuarbeiten. Ich bin schon auf Dein neues Projekt gespannt 😉

Kommentare sind geschlossen